Heiß mit Tiefgang

Schauspieler, Draufgänger und Wohltäter: Zum Tod von Tony Curtis

von Marc Hairapetian

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Im Jahr 1968 war Tony Curtis als Schauspieler eigentlich erledigt: Kurz zuvor hatte ihn das Branchenblatt Variety an die Spitze einer Liste der weltweit bestbezahlten Schauspieler, die im Hinblick auf ihrer Filme der letzten Jahre „ihr Geld nicht wert waren“, gesetzt. Als die 20th Century Fox einen Hauptdarsteller für die Verfilmung für die wahre Geschichte des schizophrenen Albert Henry DeSalvo, der als „Der Frauenmörder von Boston“ unrühmliche Schlagzeilen schrieb, suchte, wollte der sich seines Karrieretiefs durchaus bewusste Curtis unbedingt diese Rolle übernehmen. Richard D. Zanuck, der Präsident der Filmgesellschaft, hielt den „Beau“ jedoch für ungeeignet. So griff Curtis zu einem Trick: Mit Make-up, braunen Kontaktlinsen und Dauerwelle modellierte er sein Äußeres so, wie er sich den Würger vorstellte und schickte dem Studioboss auf grobkörnigen Papier abgezogene Fotos. Der Rest ist Filmgeschichte: Tony Curtis lieferte die wohl beste schauspielerische Leistung seiner Karriere ab und demonstrierte eindrucksvoll, dass er mehr als nur der (selbsternannte) „schönste Mann Hollywoods“ war.

Der als Bernard Schwartz am 3. Juni 1925 in New York City als Sohn ungarisch-jüdischer Einwanderer geborene Akteur war ein Stehaufmännchen und immer wieder für künstlerische wie private Überraschungen gut. Er war ein Dandy, der das Leben und besonders die Frauen liebte, brillant im komischen Fach, aber auch ambitioniert und voller Tiefgang. Nach dem Schauspielunterricht bei Erwin Piscator wurde er von Bob Goldstein, dem Talentsucher der Universal-Studios entdeckt. Sein erster Kino-Auftritt 1949 in Robert Siodmaks Krimi „Gewagtes Alibi“ war an sich unbedeutend, doch obwohl „Bernie Schwartz“ nicht einmal im Vor- oder Abspann genannt wurde, erhielt das Studio Körbe weise von Fan-Briefen „an den schönen Jungen, der mit Yvonne De Carlo tanzte“. Daraufhin nannte er sich in Anlehnung an einen Verwandten namens Kurtz Anthony Curtis und später amtlich beglaubigt Tony Curtis, weil er den deutschen Namen Schwartz „hasste“. Hass musste er fortan nur selten auf die Leinwand projizieren. Neben Abenteuer- und Mantel-und Degen-Filmen wie „Die Diebe von Marshan“ (1951) oder „Der Ritter von Falworth“ (1954) hatte er an der Seite von Burt Lancaster in Carol Reeds Zirkus-Melodram „Trapez“ (1956) und in Alexander Mackendricks Journalisten-Thriller „Dein Schicksal in meiner Hand“ (1957) Gelegenheit, sich als Charakterschauspieler auszuzeichnen.

Ein weiterer Höhepunkt seiner Karriere, war der an Sidney Poitier gefesselte Sträfling „Joker“ Jackson in Stanley Kramers bahnbrechendem Anti-Rassismus-Drama „Flucht in Ketten“ (1958). Dafür erhielt Curtis seine einzige Oscar-Nominierung. Für Furore sorgte er auch im Komödienfach mit Billy Wilders Travestie-Klamotte „Manche mögen‘s heiß“ (1959). Als aufregend beschrieb er später auch die Affäre mit Filmpartnerin Marilyn Monroe in seiner wirklichen lesenswerten Autobiografie „Ich mag‘s heiß“ (1995). Curtis, der mehrfach mit seiner ersten Frau Janet Leigh und seinem engen Freund Kirk Douglas drehte, stand in Richard Fleischers „Die Wikinger“ mit beiden sogar zu dritt vor der Kamera. In Stanley Kubricks antiker Sklavenrevolte „Spartacus“ (1960) bewies er als Hausdiener Antoninus des von Laurence Olivier verkörperten Marcus Crassus Mut zu homoerotisch eingefärbte Szenen. 1961 lernte er bei „Taras Bulba“ die damals erst 16jährige deutsche Schauspielerin Christine Kaufmann kennen. 1963 heiratete er sie in Las Vegas. Die Ehe, der zwei Töchter entstammen, ging nach vier Jahren wieder auseinander. Auch danach machte das ehemalige Paar Curtis/Kaufmann Schlagzeilen: Er ließ seine Töchter Alexandra und Allegra nach einem Besuch in London nicht nach Deutschland zurückkehren, sondern nahm sie mit in die USA. Was in Deutschland viele als „Entführung“ werteten, wurde im „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“ anders gesehen: Curtis wurde das alleinige Sorgerecht zugesprochen.

Die Frauen in seinem Leben wurden fortan immer jünger (aus sechs Verbindungen hat er sechs Kinder), die Filme bis „Auf die nackten Tatsachen“ (1966, mit Claudia Cardinale“) und „Der Frauenmörder von Boston“ immer schlechter. Da erkannte er Anfang der 1970er Jahre als erster Kinostar die Zeichen der Zeit und feierte zusammen mit Roger Moore in der ironischen TV-Krimiserie „Die Zwei“ ein furioses zweites Comeback. Sein mit Schlaghosen, enger Lederjacke, Seidenschal und flotten Sprüchen ausgestatteter Playboy Danny Wilde ist bis heute stilbildend und (vor allem in der deutschen Synchronisation von Rainer Brandt) unwiderstehlich! Der seinerzeit bestbezahlte Fernsehschauspieler der Welt zeigte auch Talent als Maler, dessen Bilder sogar im Museum of Modern Art gezeigt wurden. 2008 hatte der an einer schweren Lungenerkrankung leidende Tony Curtis in der amerikanisch-israelischen Ko-Produktion „David und Fatima“ seinen letzte Filmrolle. Der stets am Erhalt des kulturellen jüdischen Erbes seiner ungarischen Heimat interessierte Künstler unterstützte unter anderem ein Kinderheim in Budapest und betrieb mit seiner letzen Frau Jil einen Gnadenhof für ausgesetzte und misshandelte Pferde und Mulis. Tony Curtis, eine der letzten Leinwand-Legenden des alten Hollywood, starb am 29. September im Alter von 85 Jahren in seinen Haus in Henderson (Nevada).

Marc Hairapetian