Warnung vor einem heiligen Monster

Zum Tod von Charles Bronson

Von Marc Hairapetian

 


Wohl kaum eine andere Hollywood-Legende polararisierte das Publikum in den 1970er und –80er Jahren derart wie Charles Bronson: Während sich vor allem die amerikanische und bundesdeutsche Presse auf ihn regelrecht eingeschossen hatte und dabei sein mäßiges schauspielerisches Talent bemängelte, ihn in seinen Rollen als „reaktionären Revolvermann“ abstempelte oder gar vor dem Besuch seiner Filme warnte, wurde der Mann, der in einer ganzen Reihe von Leinwandauftritten immer wieder rot sah, beispielsweise in Frankreich als „heiliges Monster“ geliebt und geachtet. Der breiten Masse war es ohnehin egal – sie stürmte die Kinos , um den wortkargen Mimen in seinen Action- und Selbstjustiz-Thrillern zu sehen. Und so avancierte der Vorläufer von Arnold Schwarzenegger als Rächer aller Unterdrückten und anderweitig zu kurz Gekommenen in jenen zwei Dekaden nicht nur mit einer Gage von drei Millionen Dollar pro Spielfilm zum weltweit bestbezahlten, sondern auch beliebtesten Akteur , was ihm 1972 von der „Vereinigung der Auslandskorrespondenten in Hollywood“ prompt mit einem Golden Globe und dem inoffiziellen Titel des „US-Stars mit der höchsten Anziehungskraft außerhalb der USA“ bescheinigt wurde.
Die Abneigung zwischen Bronson, der am 30. August an den Folgen einer Lungenentzündung und der Alzheimerkrankheit in Los Angeles starb, und den berufsmäßigen amerikanischen Cineasten beruhte übrigens auf Gegenseitigkeit: „Ich mache keine Filme, um Botschaften zu verbreiten“, ließ er lapidar verlauten. Ob er 81, 82 oder gar 83 Jahre wurde, hätte der als Charles Dennis Buchinsky als elftes von 15 Kindern einer aus Litauen stammende Bergarbeiterfamilie in Ehrenfeld (Pennsylvania) geborene Bronson wohl selbst auch nicht genau so genau gewusst. Verbürgt ist als Geburtsdatum lediglich der 3. November. Doch das ist bekanntlich der Stoff, aus dem einst die Mythen der sogenannten „Traumfabrik“ gemacht wurden.
Bronson schaffte jedenfalls den Karrieresprung vom Kohlenminenarbeiter zum Kinokassenmagnaten. Von seiner winzigen ersten Rolle neben Gary Cooper in „Your’re in the Navy Now“ (1951) hatte er bis Anfang der 1960er Jahre sowieso kaum die Chance, Botschaften zu verbreiten. Dies geschah dann doch erstmals mit John Sturges’ Western-Klassiker„Die Glorreichen Sieben“. In dem gelungenen Remake von Akira Kurosawas „Die Sieben Samurai“, schützt und rührt Bronson als kinderfreundlicher Söldner Bernardo O`Reilly ein mexikanisches Dorf. Der Umweg über Europa machte aus dem großen Schweiger mit den holzschnittartigen Gesichtzügen und dem dichten Haarschopf eine wirkliche Berühmtheit. An der Seite Alain Deloins überzeugte er 1968 in „Adieu l’ami“ auch die Kritiker, die vormals gegen ihn waren.
Der Italo-Western-Spezialist Sergio Leone sah den stoischen Amerikaner und hatte die Idealbesetzung für die Rolle des Mundharmonika spielenden „Fremden“ in seinem Meisterwerk „Spiel mir das Lied vom Tod“ gefunden. Es waren vor allem die grandiose Musik von Ennio Morricone und die lauernde Lakonie der Darstellung Bronsons, die den Film zum Ereignis machten. Obwohl die aufwändige 70mm-Produktion in den USA – ganz im Gegenteil zur Rezeption in der „Alten Welt“ – kein großer Erfolg beschieden war, ging es fortan auch mit Bronsons Laufbahn in der Heimat aufwärts. Dazu trug entscheidend die heftig umstrittene „Ein Mann sieht rot“-Blockbuster-Reihe bei. Im ersten Teil „Death Wish“ spielte er 1974 einen Architekten, der nach einem Überfall auf Frau und Tochter die Täter kurzerhand liquidiert. Was die einen als Verherrlichung von Gewalt geißelten, weckte bei der Mehrzahl von zahlenden Zuschauern Begeisterung für jemand, der es leid ist, auf Polizei und Justiz zu hoffen. 20 Jahre später, 1994, stand Bronson letztmalig als Racheengel vor der Filmkamera. Danach war er noch in der Fernsehserie „Family of Cop“ bis 1999 darstellerisch präsent. Sein Werk umspannt so primitive Reißer wie „Das Gesetz bin ich“ (1974) und eine lausige Adaption von Jack Londons „Der Seewolf“ (1993), aber auch anspruchsvolle Edelwestern wie„Chatos Land“, der von seinem Lieblingsregisseur Michael Winner stilsicher inszeniert wurde.
Privat soll der dreifache Vater aus zwei Ehen sanfter als auf der Leinwand gewesen sein. Der Krebstod seiner zweiten Gattin, der 1969 geheirateten Kollegin Jill Ireland, erschütterte Bronson, der 1998 nochmals den Ehebund schloss, jedenfalls stark. Zur Selbstüberschätzung neigte er keineswegs „Ich kann mich selbst nicht ausstehen. Wenn ich mein Gesicht im Spiegel sehe - oder auf der Leinwand in seiner hässlichen, brutalen Riesigkeit. – da schaue ich dann einfach weg. Da sehe ich rot!“ Es gab und gibt wohl immer noch Millionen Kinozuschauer, die Charles Bronsons Antlitz mehr lieb(t)en, als er selbst.

Marc Hairapetian