Sexy Gehirn

Kim Cattrall über niveauvolle Erotik, Vorbilder, Regie-Dikatatoren und innere Werte

 

Von Marc Hairapetian

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Sie ist Film- und Theaterschauspielerin, doch durch die Rolle der ruchlosen Samantha in der US-Fernsehserie „Sex in the City“ (1998 – 2004) wurde die am 27. August 1956 in Liverpool geborene Kim Cattrall zum Weltstar. Nun hat die Wahl-New-Yorkerin den Ratgeber „Sexual Intelligence“ (Schwarzkopf & Schwarzkopf, 24.90 Euro) publiziert. Auch im folgenden Gespräch flirtet die perfekt deutsch sprechende Erotik-Ikone (ihr erster von drei Ehemännern stammt aus Frankfurt/Main) mit dem ruhelosen SPIRIT.

Marc Hairapetian : Sie werden weltweit mit der Rolle der Samantha in „Sex in the City“ identifiziert. Gibt es auch etwas, was sie an der Rolle gestört hat?

Kim Cattrall: Samantha ist mein Leben! .Nein, im Ernst: Zumindest ist sie ein Teil davon. Was mich manchmal ein bisschen gestört hat, ist die Art wie sie spricht. Es ist meine Stimme, die Rolle hat das so verlangt, aber privat spreche ich doch in einem ganz anderen Tonfall, wesentlich differenzierter. Samantha ist bei aller Wollust immer auf dem Berg, um zu predigen. Sie schauspielert auch verbal immer – so bin ich nicht.

MaHa: Haben Sie ihre deutsche (Synchron-)Stimme Anita Kupsch einmal kennen gelernt?

Catrall: Ja, sie suchte mich auf, als ich in London Theater spielte. Wir waren uns gleich sympathisch, aber ihre Stimme hat nichts mit meiner noch mit der von Samantha gemein.

MaHa: 2003 schrieben Sie mit „Satisfaction – Die Kunst des weiblichen Orgasmus“ einen Bestseller. Warum folgt jetzt mit „Sexual Intelligence“ ein zweiter Band über ein ähnliches Thema?

Cattrall: Mein erstes Buch berichtete mehr über meine eigenen sexuellen Erfahrungen, dieser Band beleuchtet die Sexualitätvon der kulturhistorischen Seite, indem ich mich mit dem Leser auf Streifzüge durch verschiedene Länder, Sitten und Zeiten begebe. Vor kurzem gründete ich mit einigen meiner besten Freunde eine Production Company, und dies ist unser erstes Baby „ Für das Buch bereisten wir verschiedene Länder, machten Interviews mit Psychologen aber auch ganz normalen Menschen, die über ihre sexuellen Erfahrungen mit uns sprachen. „Sexual Intelligence“ soll ein Ratgeber sein, der die Sinne inspiriert, Guter Sex ist immer lust- und niveauvoll. Der Wandel der Menschen dahingehend hat schon begonnen. Der sexieste Teil des ganzen Körpers ist das Gehirn. Jemand der intelligent ist und weiß, was er will, gewinnt an Attraktivität. Das war mein Anliegen.

MaHa: Was ist Ihnen wichtiger als Sex?

Cattrall: Liebe! Am besten, wenn man sie zusammen genießt...!

MaHa: Sie wurden in Liverpool geboren. Welchen Bezug haben Sie zu der Stadt des Mersey-Beat und der Beatles?

Cattrall: Einen großen Bezug. Das sind meine Wurzeln. Meine Familie stammt generationenübergreifend aus Liverpool. Meine Tanten und Cousins leben noch heute dort. Meine Eltern wanderten mit mir nach Kanada aus, als ich elf Jahre alt war. Ich beherrsche aber noch heute den Liverpooler Akzent. Ein richtiges Beatnik-Girl war ich allerdings nie. Dafür war ich doch ein bisschen zu jung. Mehr ein Hippie-Girl auf Vancouver Island. Ich bin sehr naturverbunden und liebe es, mich leger zu kleiden und sportlich zu betätigen. Musik ist mir auch sehr wichtig. Ich mag die Beatles und Stones, doch noch lieber höre ich Jazz wie den von Miles Davies. Auch Pink Floyd, Leonard Cohen, Brian Ferry und Debbie Harry, die ich mit dem gesamten „Sex in the City“-Team in Queens besuchte, als sie einen Videoclip drehte, schätze ich sehr.

MaHa: Was ist an Ihnen als Wahl-New-Yorkerin heute noch britisch?

Cattrall. Ich bin ein wenig konservativ, vor allem was innere Werte angeht. Ich mag aber auch britische Rituale wie tea-time at five o clock, englischen Pudding - und vor allem das englische Theater. Dies allein hat mich inspiriert, Schauspielerin zu werden.

MaHa: Warum aber halten Sie New York über so viele Jahre die Treue?

Cattrall: Es ist mein erstes zuhause gewesen, als ich mit 16 das Elternhaus verließ. Unzählige „Das erste Mal“ Erinnerungen verbinden sich für mich mit dieser Stadt. Ich habe eine sehr romantische Beziehung zu New York.

MaHa : Auch „Das erste Mal“ mit einem Mann?

Cattrall : Nein, das war bereits in Vancouver zu High-School-Zeiten.

MaHa : Sie starteten Ihre Filmkarriere 1975 mit Otto Premingers „Unternehmen Rosebud“. Der Exil-Wiener war als Regie-Diktator bekannt. So erzählte mir einmal Klaus Löwitsch, dass ihn Preminger vor dem gesamtem Stab beschimpfte: „Don’ t play Faust part III, you german nazi-pig!“. Machten Sie ähnlich schlimme Erfahrungen mit ihm?

Cattrall: Stimmt, das ist leider wahr, auch was Löwitsch berichtete. Ich war zunächst so glücklich, meine erste Filmrolle ergattern zu können, und das auch noch bei einem so renommierten Regisseur! Doch die Dreharbeiten waren für mich ein furchtbarer Schock. Für jemand, der vom Theater kommt, ist die Entwicklung der Geschichte am wichtigsten, doch Preminger war daran genau so wenig interessiert wie an seinen Schauspielern. Er verlor sich lieber in technischen Spielereien. Wenn etwas in dieser Hinsicht nicht gleich klappte, schrie er die betreffende Person immer fürchterlich zusammen. Jeden Tag pickte er sich ein neues Opfer heraus. Als Schauspieler muss man doch innerlich relaxt sein, um sein kreatives Potential abzurufen. Das war hier nicht möglich. Nach meiner „Zusammenarbeit“ mit Preminger,, die keine war, dachte ich lange: Du drehst nie wieder einen Film. Vielleicht wurde er erst im Lauf der Zeit so, denn es gibt wunderbare Werke wie „Der Mann mit dem goldenen Arm“ von ihm. Ich aber habe absolut nichts von ihm gelernt. Nichts, außer Angst.

MaHa : Haben Sie als Schauspielerin selbst Idole?

Cattrall: Jane Fonda ist eines für mich - als Schauspielerin und Produzentin. „Coming Home“ über Vietnam-Heimkehrer veränderte meinen Blick aufs Kino. Das Thema war damals nicht sehr poulär in den USA, doch sie zog es mutig wie alles, was sie macht, durch. Ich bin ihr nie begegnet – allein der Gedanke daran macht mich nervös. Und Peter O’Toole, mit dem ich „Unternehmen Rosebud“ drehte, ist ein Vorbild für mich. Mein Lieblingsfilm ist „Lawrence von Arabien“.

MaHa: Wenn Sie einem Mann zum ersten Mal treffen. Wohin gucken Sie zuerst?

Cattrall: In seine Augen.

MaHa: Auch mit Ende 40 gelten Sie noch weltweit als Sex-Symbol. Glauben Sie, dass Männer von Ihrer allgegenwärtigen erotischen Präsenz manchmal eingeschüchtert sind?

 Cattrall: Gegenfrage: Sind Sie durch mich eingeschüchtert?

MaHa: Nein, ganz im Gegenteil.

Cattrall: Danke, das nehme ich als großes Kompliment!

Das Interview führte Marc Hairapetian am 3. November 2005.

The SPIRIT meets Kim Cattrall
(Foto: Oliver Schwarzkopf)