ZUSAMMEN UNTERGEHEN!

„Wir haben alle das gleiche Problem“:
 Interview mit Regisseur, Drehbuchautor und 
Produzent Roland Emmerich über „2012“, 
Katastrophenfilme, Steuervorteile und 
„political correctness“.

Von Marc Hairapetian

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Marc Hairapetian: Wo werden Sie am 21. Dezember 2012, dem Tag des von den Mayas vor 2700 Jahren berechneten und von Ihnen im Film in Szene gesetzten Weltendes, sein?

Roland Emmerich: Wenn das wirklich passiert, werde ich mich bestimmt nicht so verhalten wie der von John Cusack verkörperte Jackson Curtis, der so mutig dagegen anhält. Ich würde versuchen, mit meiner Familie und meinen Freunden zusammen zu sein, so dass wir wenigstens zusammen untergehen.

Marc Hairapetian: Aber das Ende wird anders sein, als in ihrem Film?

Emmerich: Oh, ja, absolut. Wenn es zum Ende kommen sollte, wird es wohl ein Szenario sein wie bei „The Day After Tomorrow". Oder irgendein Verrückter wirft eine Atombombe ab. Manchmal denke ich: Ist es nicht jetzt schon zu spät? Ich habe drei Katastrophenfilme gemacht, wobei eigentlich nur zwei reine Katastrophenfilme sind. „Independence Day" war ja eher ein Kampf Gut gegen Böse, wo natürlich viel dabei kaputt ging. Mit Co-Drehbuchautor und -Produzent Harald Kloser habe ich über die Theorie diskutiert: Wer ist Noah und wer ist Gott dieser Tage? Gott ist auch die Natur. Zuerst dachten wir an Noah als Bill-Gates-Figur. Doch dann war die logische Schlussforderung: Es müssen die Regierungen der Welt sein. Wir fanden den Gedanken interessant, dass Noah eine ganze Gruppe von Menschen ist. Politiker entscheiden über alles. Der Rest, zu dem ich gehöre, wird nicht gefragt, wenn es darum geht, wer ausgewählt wird, auf einer Arche die Katastrophe zu überleben.

Marc Hairapetian: Schließt sich also mit „2012" nun der Kreis, der 1984 mit Ihrem Debüt-Spielfilm „Das Arche-Noah-Prinzip" begonnen hat?

Emmerich: Ja, richtig. Ich habe die Rettungsschiffe, welche die Flutkatastrophe überdauern sollen, bewusst „Archen" genannt.

Marc Hairapetian: In „2012" gibt es viele Anspielungen auf reale Politiker: Der US-Präsident ist farbig. Auch ein Arnold Schwarzenegger-Verschnitt geistert durch die Szenerie. Warum hat er eigentlich nicht selbst mitgespielt?

Emmerich: Wir wollten ihn fragen, haben uns aber nicht getraut.

Marc Hairapetian: Das glaube ich nicht.

Emmerich: Doch. Wenn du jemand fragst und er sagt nein, dann ist es mehr oder weniger gegessen. Wenn man aber jemand benützt, der nicht Arnold Schwarzenegger ist, sondern nur einem, der ihm sehr ähnlich aussieht und sehr ähnlich wie er redet, kannst du dir das erlauben. Arnold Schwarzenegger und seine Familie haben den Film gestern gesehen. Ich kenne aber noch nicht ihre Reaktion.

Marc Hairapetian: Bei all den Katastrophen streuen Sie immer kleine Späße ein. Angela Merkel wird so dargestellt, als ob sie zunächst keine Meinung hat und sich dann später erst der Meinung der anderen Staatsoberhäupter anschließt. War das Absicht?

Emmerich: Wir haben uns gefragt: Welche Politiker, wollen wir featuren? Beim italienischen Premierminister haben wir uns bewusst gegen Berlusconi entschieden. Der würde es gar nicht abwarten, was die anderen Staatsoberhäupter mitentscheiden, sondern der wäre garantiert in seinem eigenen Jet schon unterwegs zur Station der Rettungsschiffe in China. Auf der einen Seite will man als Filmemacher Anleihen machen, auf der anderen Seite aber auch nicht zu sehr. Es gab eine Szene, bei der die ganzen „look-alikes" über die Brücke zu den Archen gehen, doch dann haben wir es bei der Queen belassen. Zu Frau Merkel: Ich kenne sie nicht persönlich. Ich muss auch sagen, ich verfolge in den USA nicht unbedingt die deutsche Politik. Ich habe zwar noch einen deutschen Pass, doch nun will ich nach 20 Jahren in Amerika einen amerikanischen Pass haben. Einfach um dort mitzureden. In Deutschland werde ich nicht mehr mitwählen, ich bin dazu nicht genug hier.

Marc Hairapetian: Wie häufig sind Sie noch da?

Emmerich: Unabhängig von Premieren und Promotion vielleicht zwei, drei Tage im Jahr bei meiner Mutter zu Weihnachten.

Marc Hairapetian: Warum delektiert sich Ihrer Meinung nach das Publikum so an Untergangsfilmen?

Emmerich: Es hat verschiedene Gründe. Jeder weiß, was Desaster sind. Zweitens haben aber die meisten zum Glück ein Desaster noch nicht gesehen. Warum wohl war 9/11 so ein unglaublich großer dramatischer Moment? Man konnte zum ersten Mal live verfolgen, wie ein Desaster anfängt. Das erzählt ein bisschen, was die Faszination von solchen Filmen ist. Und im Film kann man es noch genauer sehen. Und man hat auch noch die Geschichten von den Menschen, die dieses Desaster erleben. Das sind nicht irgendwelche Leute mit speziellen Fähigkeiten, das sind ganz normale Menschen wie du und ich, die auch Fehler haben. Doch im Angesicht von Desastern kann man auch das Gefühl von Einigkeit untereinander erkennen. Nach dem Motto: „We all have the same problem!!"

Marc Hairapetian: Und warum avancierten Sie zum „Master of Desaster"?

Emmerich: Ich wollte immer Visuell-Effects-Filme machen - und ich habe gegen allen guten Rat mit „Star Gate" Science-fiction gemacht, wo das Genre totgesagt gewesen ist. Auch da habe ich Elemente des Desaster-Films benutzt und dann wird plötzlich die Idee geboren: Etwas Ungeheures passiert heute, nicht in der grauen Zukunft, sondern heute! Das habe ich so benützt, dass alle Leute von mir „Independence Day 2" haben wollten. „The Day After Tomorrow" habe ich an sich genau gleich geschrieben, nur das es vom Ton her weniger witzig ist. Und so entsteht ein Genre für sich selber. Man bekommt auch ganz locker das Geld dafür. Nach „The Day After Tomorrow" habe ich mir gesagt: Das mache ich jetzt nimmer, Doch als Harald Kloser die Idee von „2012" vorantrieb, meinte er sehr schlau zu mir: „Wenn du es nicht machst, macht es ein anderer. Du hast es doch erfunden. Wenn du es nicht machst, bist du selber schuld." Also habe ich mich durchgerungen, allerdings unter der Prämisse: Wenn wir es machen, dann machen wir es besser und größer als man es jemals zuvor gesehen hat - und das ist dann mein letzter Desaster-Film.

Marc Hairapetian. Wie hoch war das Budget?

Emmerich: An sich kostet ein Film dieser Größenordnung 250-260 Millionen Dollar. Dadurch, dass wir ihn für 200 Millionen Dollar hinbekamen, hatten wir jegliche Freiheit. Das Studio unterstützt uns, weil sie billiger kriegen, was sie sonst teurer bezahlen müssten. Und bei den „Notes", die sie uns mit Änderungen schicken, können wir auch „nein" sagen. Das ist doch cool: Du erhältst 200 Millionen Dollar und kannst damit machen, was du willst.

Marc Hairapetian: Es gehen in dem Film ziemlich viele Symbolbauten kaputt, nationale wie internationale. Die Ka´bah in Mekka wird auch kurz gezeigt, aber sie wird nicht atomisiert. War das zu riskant?

Emmerich: Ja. Wir hatten auch eine Szene im Hintergrund, bei der Leute vor einer Moschee nach Mekka beten. Und dann kommt die Welle. Es war uns doch zu riskant. Das ist es auch nicht wert für einen Unterhaltungsfilm. So beließen wir es bei der Szene in Rom, wo der Vatikan von der Flutwelle ergriffen wird. Auf der anderen Seite muss ich sagen, das ist der Zustand unserer heutigen Welt. Da gibt es ein paar fanatische Moslems, die schaffen es, dass man als westlicher Mensch irgendetwas nicht zeigen kann, was für uns natürlich ist. Jeder versteht es im Westen, dass wenn die Christusstatue in Rio zusammenfällt, es durch ein Erdbeben verursacht wird und nicht wegen einem Mangel des Glaubens.

Marc Hairapetian: Würden Sie auch etwas bewusst politisch Unkorrektes inszenieren?

Emmerich: Man muss immer sagen, dass ist ein Hollywood-Unterhaltungsfilm, der für 200 Millionen Dollar gedreht wird von einer Firma, die weltweit Filme verleiht. Wenn man was Politisches machen will, muss man was Kleines machen.

Marc Hairapetian: Wie sind Sie eigentlich bei der Besetzung auf George Segal gekommen?

Emmerich: Er war immer einer meiner Lieblingsschauspieler. Der hat so viele tolle Filme gedreht, vor allem „Das Narrenschiff" und „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?", und ist so ein netter Typ. Da gehst Du den Casting-Katalog für ältere Herrschaften durch und, huch, da ist George Segal. Is he still alive! And he still working! Und total rüstig! Dann haben wir ihn getroffen. Es war ein „love fest"!. Er hat soviel Spaß gehabt beim Drehen – und wir mit ihm!

Marc Hairapetian: Wird Ihre nächste Produktion „Anonymous", die in Deutschland gedreht werden soll, salopp gesagt ein Katastrophenfilm für Shakespearefreunde?

Da ist etwas dran! Es ist ein sehr ambitioniertes Projekt mit einem immer noch hohen, für mich aber relativ kleinen Budget. Warum ich in Deutschland drehe, hat damit zu tun, dass ich Deutscher bin und es mich ehrlich gesagt deshalb nach Hause zieht, weil jetzt hier Steuervorteile wieder möglich werden. Die Schauspieler kommen aus England, und es ist billiger sie nach Deutschland als in die USA einzufliegen. Die Geschichte zelebriert Shakespeares Werk, stellt unangenehme Fragen, und gibt noch unangenehmere Antworten. Eine der Fragen ist, ob jemand anderes Shakespeares Werke geschrieben hat. Es wird in einer bewusst spekulativen und spielerischen Weise erklärt wie es dazu gekommen ist. Ich bin schon jetzt auf die Kritiken gespannt!

Das Gespräch führte Marc Hairapetian am 8. November 2009 im Berliner Hotel de Rome für SPIRIT – EIN LÄCHELN IM STURM